SPORT AUTO, 01.09.1991

ALAIN PROST: Prost Scriptum (6)


Die Formel 1 produziert ständig Schlagzeilen. Alain Prost blickt für sport auto hinter die Kulissen, kommentiert, kritisiert und denkt über sein Metier nach. Der Franzose sagt in sport auto, was Sache ist. Er meint...

... über die Weiterentwicklung des Ferrari 643:
Wir haben das Problem mit den Bodenwellen jetzt besser im Griff, weil wir das Auto etwas weicher abstimmen können und Fortschritte bei den Stoßdämpfern gemacht wurden. Das macht unser Auto nicht schneller, aber leichter zu fahren. Leider sind wir im Training immer noch nicht konkurrenzfähig. Im Vergleich zu Renault und Honda haben wir auf dem Motoren- und Kraftstoffsektor Boden verloren. Im Rennen wirkt sich dieses Manko nicht so schwerwiegend aus, nur ist es für uns sehr schwer, andere Autos zu überholen. Da fehlt es einfach an Leistung.

... zu den Motorproblemen:
Mit unserer neuen Motorentwicklung haben wir einen Schritt nach vorne gemacht. Der Schritt von Honda war aber noch größer. Alles in allem stehen wir besser da als zu Saisonbeginn, aber wir können uns immer noch nicht mit Williams und McLaren messen. In Monza werden wir eine weitere Entwicklungsstufe unseres V12 im Training einsetzen. Wenn wir es schaffen, uns dort für die erste Startreihe zu qualifizieren, sieht es im Rennen nicht schlecht für uns aus.

... zu dem Überholknopf, der den Williams-Piloten bei Bedarf für kurze Zeit mehr Leistung verschafft:
Ich habe schon seit einigen Rennen den Verdacht, daß die Williams-Fahrer kurzfristig ihre Leistung erhöhen können. In Magny-Cours hat man das besonders gut gesehen, als mich Nigel Mansell vor der Haarnadel außen überholt hat. Auf der Geraden war er noch 15 Meter hinter mir, und plötzlich, wie aus heiterem Himmel, beschleunigt der Williams noch einmal und liegt direkt neben mir. Da das Überholen so schwierig geworden ist, braucht man in Zukunft einen Überholknopf. Technisch ist das nicht so einfach zu lösen, aber ich bin sicher, daß die Spitzenautos bald alle über so ein System verfügen.

... dazu, wie man das Überholproblem für die Zukunft lösen kann:
Schon vor fünf Jahren hat es damit angefangen, daß das Überholen immer schwieriger wurde. Um die Rennen wieder interessanter zu machen, müssen die Autos und die Rennstrecken geändert werden. Bei den Autos könnte man zum Beispiel die Kohlefaser-Bremsscheiben verbieten. Mit Stahlscheiben verliert man 20 Prozent an Bremsleistung; man würde also früher verzögern und hätte mehr Platz, um den Gegner auszubremsen. An den Rennstrecken muß viel getan werden. Es gibt höchstens drei oder vier Strecken, die mit der Entwicklung der Autos Schritt gehalten haben. Ich verstehe einige Veranstalter nicht. Wenn zu den Grand Prix nur 20000 Zuschauer kommen würden, könnten sie sich mit finanziellen Schwierigkeiten herausreden, daß sie nichts an den Strecken verbessern. Aber im Augenblick erlebt die Formel 1 einen Zuschauerboom. Es gibt keinen Grund, die Strecken nicht auszubauen und Stellen zum Überholen zu schaffen.

... dazu, daß die Sicherheitskommission der FISA das Verhalten der Fahrer beeinflußt:
Das hat überhaupt keinen Einfluß, weil man beim Fahren nicht an die Sicherheitskommission und mögliche Strafen denkt.

... zu der Versöhnung mit Ayrton Senna:
Ich hasse diese Art von Konflikten. Sie erschweren nur unnötig das Leben. Irgendwann muß man selbst mit seinem größten Feind Frieden schließen.

... darüber, was zwischen ihm und Senna bei den Friedensverhandlungen gesprochen wurde:
Alles, was bisher in der Presse stand, war falsch. Ich habe die FISA-Leute, die mit uns über den Zwischenfall in Hockenheim sprechen wollten, schon nach fünf Minuten gebeten, den Raum zu verlassen. Ayrton und ich wollten keinen Zeugen bei unserem Gespräch haben. Es hätte dann später nur wieder für Wirbel in der Presse gesorgt, wenn irgend etwas nach außen gedrungen wäre. Wir haben uns deshalb geeinigt, Stillschweigen über das, was gesprochen wurde, zu wahren.

... darüber, ob sich nach dem Krach von Hockenheim die Atmosphäre bei Ferrari verbessert hat:
Ich habe immer noch mit einem Teil der italienischen Presse ein Problem. Sie behandeln mich einfach nicht fair. In der Woche nach Hockenheim haben wir in Imola getestet. Die Rennstrecke und die Boxen waren abgesperrt. Ich konnte also mit keinem von der Presse reden. Trotzdem waren in dieser Woche vier Interviews mit mir in der Zeitung zu lesen, die angeblich in Imola gemacht wurden. Wenn das noch einmal passiert, gehe ich vor Gericht.

... über die Pläne von Alain Prost für 1992:
Wenn Ferrari einen anderen Fahrer will, stelle ich mein Cockpit zur Verfügung. Ich rechne damit, daß sie mich gegen einen anderen austauschen. Wenn nicht, muß ich mir überlegen, was ich nächstes Jahr mache. In einem Team wie Ferrari kann man sich nie sicher sein, was im nächsten Jahr passiert.

... zu Jean Alesi:
Mit Jean verbindet mich das beste Verhältnis, das ich seit Stefan Johansson bei McLaren je mit einem Teamkollegen hatte. Die italienische Presse versucht uns zwar immer ein menschliches Problem einzureden, aber trotzdem kommen wir gut miteinander aus. In der Arbeitsweise sind wir grundverschieden. Jean hat noch nicht die technische Erfahrung und ist nur daran interessiert, immer und überall schnell zu fahren. Ich arbeite lieber systematisch mit meinem Auto. Vielleicht ist das ein guter Kompromiß zwischen zwei Teamkollegen.

... über die Sperre für ein Rennen auf Bewährung nach Kritik an der FISA:
Wenn das gleiche noch einmal passierte, würde ich wieder so handeln. Ich übe Kritik, wann ich will. Die FISA weiß das. Ich habe es ihnen gesagt, als sie mir die Sperre angedroht haben. Kritik ist zwar nicht diplomatisch, aber notwendig. Man kann nicht alles gutheißen, was in der Formel 1 passiert. Ich habe im Scherz den FISA-Leuten sogar erzählt, daß ich vor dem nächsten Regenrennen Balestre unter Beschuß nehmen werde. Sie müssen mich dann folgerichtig sperren, und ich brauche im Regen nicht zu fahren.

... über das Debüt von Michael Schumacher:
Ich war beeindruckt. Es deutet alles darauf hin, daß da ein neuer Spitzenfahrer heranwächst. Für die Formel 1 ist Schumachers Auftritt aus zwei Gründen gut. Endlich gibt es mal wieder einen jungen Fahrer mit Talent, der es nach ganz oben schaffen könnte. Was sonst so aus der Formel 3000 in die Formel 1 aufrückt, ist nicht gerade berühmt. Die Formel 3000-Piloten kommen relativ unvorbereitet in die Formel 1. Sie haben keine Ahnung von der Abstimmung eines Autos, weil sie sich bei den knapp bemessenen Trainingszeiten aufs Gasgeben konzentrieren müssen, anstatt mit dem Auto zu arbeiten. Für Deutschland ist ein Fahrer wie Schumacher wichtig, weil er die Formel 1 populär machen wird. Das könnte deutsche Automobilfirmen animieren, in die Formel 1 einzusteigen.

... Fahren Sie privat auch einen Ferrari-Dienstwagen?
Ich fahre keinen Ferrari, weil ich in so ein Auto weder meine Kinder noch meine Golfausrüstung reinbringe.

... Wie sieht Ihr tägliches Fitneßprogramm aus?
Außerhalb der Rennsaison spiele ich Golf, jogge, surfe oder gehe schwimmen. Im Winter habe ich ein spezielles Fitneßprogramm. Während der Rennsaison ist das zeitlich leider nicht möglich. Da ist höchstens Zeit zum Golfen und zum Radfahren.



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