SPORT AUTO, 01.07.1991

ALAIN PROST: Prost Scriptum (4)


Die Formel 1 produziert ständig Schlagzeilen. Alain Prost blickt für sport auto hinter die Kulissen, kommentiert, kritisiert und denkt über sein Metier nach. Der Franzose sagt in sport auto, was Sache ist. Er meint...

... zu seiner persönlichen Bilanz nach sechs Rennen:
Letztes Jahr bin ich pessimistisch in die Saison gegangen, und zum Schluß habe ich öfter gepunktet als jeder andere Fahrer im Feld. Diesen Winter war es genau umgekehrt. Wir fühlten uns gut genug, die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Daß es dann zu technischen und personellen Problemen kommen würde, war nicht zu erwarten. Ich habe zwar schon bei den ersten Testfahrten im Winter gespürt, daß das Auto nicht mehr so angenehm zu fahren war wie im letzten Jahr, dachte aber, das bekommen wir in den Griff. Tatsächlich wurde alles nur schlimmer. Probleme bei Ferrari multiplizieren sich immer gleich zu einem Drama. Andere Teams sind da ausgeglichener, Ferrari wandelt auf einem schmalen Grat zwischen Weltuntergang und grenzenlosem Optimismus. Ein Sieg würde deshalb Wunder wirken.


Die Stärke von McLaren-Honda ist die Zuverlässigkeit. Unter dem Strich fallen sie weniger aus als die anderen. Das war auch ein entscheidender Faktor für Sennas vier Siege zu Saisonbeginn. Williams hat das beste Chassis und mit dem Renault V10 einen Motor, der sich gegen die Zwölfzylinder sehen lassen kann. Ferrari hinkt in der Summe aller Eigenschaften ein wenig hinter McLaren und Williams her. Unser Auto ist wegen der aerodynamischen Probleme speziell auf Strecken mit vielen Bodenwellen schwer abzustimmen. In den letzten Rennen hat uns auch die Standfestigkeit Sorgen bereitet. Wenn man versucht, den Rückstand zur Konkurrenz aufzuholen, leidet automatisch die Zuverlässigkeit.

... über die immer größer werdende Bedeutung der Pole Position:
Früher war es nur in Monte Carlo wichtig, auf dem besten Startplatz zu stehen. Heute bedeutet die Pole fast überall eine Vorentscheidung für das Rennen. Für meinen Geschmack hat das Training eine zu große Bedeutung bekommen. Wer in der ersten Kurve vorne liegt, hat den Grand Prix schon halb gewonnen. Nehmen wir nur das Beispiel Montreal. Nigel Mansells beste Rundenzeit in den ersten 20 Runden war um drei Zehntel besser als meine, und in dieser Phase hatte ich schon Schwierigkeiten, vom siebten auf den sechsten Gang zurückzuschalten. Obwohl ich praktisch so schnell fahren konnte wie Nigel, lag ich nach 20 Runden 25 Sekunden hinter ihm. Nur weil er eine freie Straße vor sich fand und ich hinter Senna steckengeblieben bin. Überholen ist praktisch aussichtslos geworden. Auf einigen Rennstrecken kann man sich wegen der Turbulenzen, die das Auto vor dir aufbaut, nicht mal im Windschatten des Vordermannes halten, selbst wenn man von der reinen Geschwindigkeit her schneller wäre.

... dazu, daß sich in den letzten Rennen die Ausfallquote erhöht hat:
Jedesmal, wenn in der Formel 1 ein neues technisches Reglement eingeführt wird, suchen die Ingenieure nach Lösungen, das Beste daraus zu machen. Aus Zeitgründen vernachlässigt man dabei etwas die Zuverlässigkeit. McLaren-Honda hatte zu Saisonbeginn das beste Auto. Sie haben auf Anhieb gewonnen und konnten sich sofort darum kümmern, Auto und Motor standfester zu machen. Alle anderen mußten den Schwerpunkt darauf legen, die verlorene Zeit auf McLaren wettzumachen, und das ging natürlich auf Kosten der Zuverlässigkeit.

... über die halbautomatischen Getriebe, die Ferrari und jetzt auch Williams Siege und WM-Punkte gekostet haben:
Ich bin in Kanada zum ersten Mal, seit ich für Ferrari fahre, mit einem Getriebeschaden ausgeschieden, kann mich also nicht beklagen. In Montreal waren wahrscheinlich die Hitze und die vielen Bodenwellen an dem Getriebeschaden schuld. Je mehr das Auto über die Bodenwellen springt, um so härter ist das für die Mechanik. Dazu haben sich erhöhte Getriebeöltemperaturen addiert. Alles in allem überwiegen die Vorteile die Nachteile. Eine Automatik ist über eine Renndistanz physisch weniger anstrengend. Man kann in schnellen Kurven mit hohen Fliehkräften problemlos Gänge wechseln, weil man immer beide Hände am Lenkrad hat, und der Computer verhindert, daß man sich verschaltet.

... über den neuen Ferrari 643, der beim GP Frankreich debütieren soll:
Das neue Auto muß unser größtes Problem kurieren. Wir haben zwar genug Abtrieb, aber der wandert mit zunehmender Geschwindigkeit nach vorne, anstatt gleichmäßig über das gesamte Auto verteilt zu sein. Deshalb fahren wir mit sehr wenig Federweg, was ein vernünftiges Abstimmen fast unmöglich macht. Um dem abzuhelfen, haben wir den Ferrari 642 in der Mitte auseinandergeschnitten. Das Heck bleibt mehr oder weniger so, wie es war. Vorne heben wir wie Williams oder Jordan die Nase leicht an.

... über das neue Management bei Ferrari:
Ich will nicht die neuen Leute im einzelnen beurteilen. Das würde nur wieder Unruhe ins Team bringen. Alles, was ich sagen kann, ist, daß wir jetzt ruhiger und besser organisiert arbeiten, und daß die Atmosphäre im Team angenehmer geworden ist. Das ist alles, was ich wollte.

... darüber, daß Fiorios Abgang ein persönlicher Sieg für Alain Prost war:
Mein persönliches Verhältnis zu Fiorio war bei weitem nicht so schlecht, wie immer geschrieben wurde. Ich habe ihm halt meine Meinung gesagt, wenn mir etwas nicht gefallen hat. Das mache ich mit jedem so. Wir hatten verschiedene Auffassungen über die Arbeitsweise im Team und die Organisation. Es liegt nicht an mir, die wahren Gründe aufzudecken, warum Fiorio gehen mußte. Die italienischen Journalisten wissen sehr genau, daß man nicht nur mit seinem Management unzufrieden war. Sie sollten darüber sprechen, nicht ich.

... zu den Gerüchten, daß Williams und McLaren mit ihm für nächstes Jahr verhandeln:
Senna und ich sind die Königsfiguren auf dem Transfermarkt. Von unserer Entscheidung hängen alle anderen Fahrerwechsel ab. Für uns beide gibt es drei Teams, die in Frage kommen: Ferrari, McLaren oder Williams. Ich habe für 1992 einen Vertrag mit Ferrari, weiß aber nicht, ob sie irgend etwas in Richtung Senna unternehmen. Normalerweise kann Senna nächste Saison nicht bei Ferrari fahren, weil Alesi und ich Verträge haben. Aber in der Formel 1 weiß man nie. Ich bin in einer starken Position, weil ich abwarten kann, was passiert. Wenn Senna zu Ferrari kommt, ist alles möglich. Ich setze mich vorerst jedenfalls an keinen Verhandlungstisch.

... Haben Sie immer noch den Wunsch, nach Ihrer Karriere als Rennfahrer ein eigenes Team zu gründen?
Ich will lieber als Rennleiter in ein bereits existierendes Team einsteigen. Es ist heute schwer, aus dem Nichts einen eigenen Rennstall aufzubauen. Man braucht mindestens eineinhalb Jahre Anlaufzeit, um das Geld und die richtigen Leute zu finden. Ohne das fährt man in der Formel 1 nur noch hinterher.

... Wie sind Sie zu dem Design Ihres Helms gekommen?
Um ehrlich zu sein: Das Design meines Helms gefällt mir nicht besonders. Ich wollte dieses Jahr mit einem anderen Helm fahren, weiß und rot, habe dann aber doch alles gelassen, wie es ist. Ursprünglich wollte ich die Farben der Rennfahrerschule, die ich 1976 besucht habe, auf meinen Heim malen. Das hat sich dann zerschlagen, weil meine Heimfirma und Sponsoren andere Vorschläge hatten.



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