AUTO MOTOR UND SPORT, 01.06.1984

"Ich will nur Lauda als Partner"

McLaren-Porsche-Fahrer Alain Prost über sich, Niki Lauda und die Chancen beider.


Das Gespräch führte Norbert Haug

Herr Prost, man hört, zwischen Ihnen und Ihrem Teamkollegen Niki Lauda gäbe es Spannungen, und Sie beide seien mittlerweile bereits regelrecht verfeindet. Wie sieht die Wahrheit aus?
Es kann natürlich in einem Team mit zwei starken Fahrern immer Spannungen geben. Es ist möglich, daß ich in Zukunft mit Lauda Riesenprobleme bekommen werde - noch habe ich sie jedenfalls nicht. Im übrigen bin ich keineswegs der Ansicht, daß ich mit Lauda einen Streitsüchtigen zum Partner habe. Niki ist ausgesprochen intelligent und hat eine Riesenerfahrung in der Formel 1.

Sie und Lauda sind der restlichen Formel 1 ja bisher regelrecht um die Ohren gefahren?
Ja, das hat auch einen ganz einfachen Grund: Unsere Autos waren einfach viel besser als alles, was die Formel 1 momentan zu bieten hat. Deshalb wurde auch behauptet, Lauda und ich würden uns gegenseitig zerfleischen. Vielleicht ist der McLaren bei den folgenden Rennen nicht mehr so überlegen - dann stehen auch Lauda und Prost nicht mehr so im Blickpunkt, und die Leute kommen nicht mehr auf die Idee, daß wir beide aufeinander losgehen könnten.

Sie und Lauda liegen in der Weltmeisterschaft vorne, einer muß den kürzeren ziehen - wer wird das sein?
Ich möchte die Sache auf folgenden Nenner bringen: Lauda und ich verfügen 1984 bestimmt über ein Auto, das beste Chancen für die Weltmeisterschaft hat. Beide Fahrer können dieses Ziel erreichen. Wir stehen beide vor einer sehr schweren Saison, wir müssen beide kämpfen wie verrückt - auch gegeneinander. Mein Teampartner Lauda entwickelt sich womöglich zu meinem härtesten Rivalen in diesem Jahr, und ich werde vielleicht zum größten Gegner für Lauda. Bei aller Kampfbereitschaft haben wir uns aber beide vorgenommen, dabei nie eine Dummheit zu machen.

Ist die Situation Prost kontra Lauda mit dem Kampf zwischen Arnoux und Prost 1982 bei Renault zu vergleichen?
Nein, ganz und gar nicht. Schließlich arbeite ich konstruktiv mit Niki, wir helfen uns gegenseitig, das war nie der Fall, als ich bei Renault war.

Ist Lauda der stärkste Teampartner, den Sie bislang hatten?
Ja, auf jeden Fall. Aber dieser Zustand ist für uns beide durchaus positiv, denn wir haben die gleichen Ansichten beim Abstimmen eines Formel 1-Autos. Ich kann problemlos Laudas Auto fahren, und er genauso in meines steigen, ohne damit langsamer zu sein. Die Rivalität hat, wie Sie sehen, also durchaus ihre praktischen Seiten. Wenn ich beim nächsten McLaren-Test krank sein sollte, kann ich getrost zuhause liegen und mich pflegen, denn der Niki wird's schon richten. Dieses Gefühl hatte ich bisher bei meinen Teamkollegen beileibe nicht, auch nicht im letzten Jahr bei Renault.

Aber nicht deshalb haben Sie Renault verlassen?
Jeder bei Renault war nach Kyalami 1983 enttäuscht, weil wir die Weltmeisterschaft verloren hatten. Ich war ebenfalls enttäuscht, aber im Gegensatz zu den Renault-Leuten hatte ich keineswegs das Gefühl, daß der Titelgewinn durch meine Schuld verfehlt wurde. In dieser Lage war es für beide Partner schwer, ein weiteres Formel 1-Jahr in Angriff zu nehmen. Ich habe das ganze Jahr über viele Probleme mit vielen Leuten im Renault-Team gehabt, es ging oftmals mehr um Firmenpolitik als um Formel 1-Siege. Es war einfach klüger, einen Schlußstrich zu ziehen und zu gehen. Ich kontaktierte McLaren, weil sich das Auto mit dem TAG-Porsche-Motor am Ende der Saison als sehr vielversprechend erwiesen hatte. Ich war der Ansicht, daß McLaren-TAG für 1984 ein riesiges Potential haben würde.

Waren Sie Ende 1983 zu der Erkenntnis gekommen, mit Renault niemals Formel 1-Weltmeister werden zu können?
Nein, nicht unbedingt. Ich dachte nach dem Sieg beim Grand Prix Österreich in Zeltweg, daß wir es 1983 endlich schaffen könnten. Ich wußte aber gleichzeitig, daß unser Motor nur gut, nicht aber der beste war. Ich befürchtete, obwohl ich WM-Spitzenreiter war, daß wir ein sehr schwieriges Saisonfinale vor uns haben würden.

Können Sie die Leistung des Renault-Motors mit der des Porsche vergleichen?
Das ist sehr schwierig - abgesehen davon, daß ich so einen Vergleich eigentlich gar nicht anstellen möchte. Trotzdem soviel: Renault hat, wie mir erzählt wurde, im letzten Winter sehr viel am Formel 1-Motor weiterentwickelt. Der Sechszylinder muß deshalb jetzt viel besser als im letzten Jahr sein. Ein aktueller Vergleich zwischen beiden Triebwerken ist mir also auch beim besten Willen nicht möglich, Ich kann nur sagen, daß mein Porsche-Motor von 1984 viel, viel besser als mein Renault-Motor von 1983 ist.

Vier Siege dergleichen Marke bei den ersten fünf Rennen, so etwas hat die Formel 1 schon lange nicht mehr erlebt.
Ich glaube, wir haben einen sehr guten Kompromiß gefunden. Der Motor ist gut, äußerst zuverlässig und hat einen ausgezeichneten Benzinverbrauch, was ja 1984 durch die 220 Liter-Limitierung ganz besonders wichtig ist. Das Chassis ist sehr gut, die Aerodynamik ausgezeichnet, und die Balance funktioniert optimal. Wir können deshalb weichere Reifen als alle anderen fahren, haben mehr Haftung und sind deshalb schneller. Gemeinsam mit Niki entwickeln und verbessern wir das Auto immer mehr. Die Konkurrenz-Situation der beiden Fahrer beschleunigt all unsere Fortschritte.

Sind Sie zu besseren Leistungen fähig, wenn Sie einen stärkeren Partner im Team haben?
Ja, ganz sicherlich. Ich glaube, wir haben für die Grand Prix-Saison 1984 die beste Besetzung, die man sich vorstellen kann. Um allen Gerüchten vorzubeugen: Ich will keinen anderen Partner als Niki Lauda und schon gar keinen schwächeren. Hätte ich einen jungen, unerfahrenen Kollegen, dann wäre vielleicht einiges in der Formel 1 leichter für mich. Ganz sicherlich würde ich dann aber auch nicht über ein so optimales Rennauto verfügen, das sich immer auf dem bestmöglichen Stand befindet.

Themawechsel: Wie wichtig ist die Startposition für einen Grand Prix-Sieg?
Ein guter Startplatz ist in Monaco wichtig, weil es dort eng zugeht und wenig Überhol-Möglichkeiten bestehen. Ein Platz weit vorne im Starterfeld ist bei anderen Rennstrecken vergleichsweise unbedeutend, wenn das Auto für das Rennen schnell ist. Mein Prinzip ist aber trotz dieser Erkenntnis: Es kann nie ein Fehler sein, in der ersten Startreihe zu stehen.

In Kyalami war ja das glatte Gegenteil der Fall, denn Sie mußten aus der Boxenstraße im Ersatzauto hinter dem Feld starten, weil Ihr Einsatzwagen bereits in der Einführungsrunde streikte. Wie geht es bei einer solchen Aufholjagd, die im konkreten Falle ja mit Platz zwei endete, eigentlich zu?
Mein Auto war so überragend, ich hatte keine Probleme, alle anderen nach Belieben zu überholen. Es gab niemals ernstzunehmende Kämpfe mit den Konkurrenten.

Waren die Gegner alle fair, ließen sie sich ohne weiteres überholen?
Sie mußten fair sein, weil ich einfach viel schneller war. Sie konnten sich überhaupt nicht wehren.

Für wie gefährlich halten Sie Formel 1-Rennen?
Die Formel 1 ist gefährlich, aber weniger gefährlich als vor zwei Jahren. Und vor zwei Jahren waren die Grand Prix-Rennen weniger gefährlich als vor zehn oder fünfzehn Jahren. Deshalb sind wir auf dem richtigen Weg, das Sicherheitsbewußtsein ist existent. Die Formel 1 und der Motorsport allgemein werden aber immer mit Risiken verbunden sein - es müssen aber nicht gerade unnötige Gefahren sein.

Was bemängeln Sie an der aktuellen Formel 1?
Wenn der Fahrer weiter hinten im Auto sitzen und die Pedalerie hinter den Vorderrädern angebracht würde, wäre ein Grand Prix-Wagen wesentlich sicherer. Allerdings muß ich zugeben, daß die Autos mit ihrem jetzigen Standard schon ausgesprochen sicher sind, die Karbon-Fiber-Monocoques sind außerordentlich stabil. Zu den Rennstrecken ist einiges zu sagen. Ein Kurs wie Zolder beispielsweise ist für die Formel 1 absolut ungeeignet. Es gibt keine Sturzräume, nicht nur die Fahrer, auch die Zuschauer sind deshalb enorm gefährdet.

Ist der Start der gefährlichste Abschnitt eines Formel 1-Rennens?
Meistens ja. Deshalb startet man am besten aus der Pole-Position und läßt das Feld und alle drohenden Unfälle gleich hinter sich. Die größte Gefahr droht einem Formel 1-Fahrer aber zweifellos bei einem Materialbruch. Bei einem Fahrfehler - selbst bei 200 km/h - passiert dagegen nur ganz selten etwas; das Auto rollt sich in einen Fangzaun ein - der Fahrer steigt meist sogar unverletzt aus.

Ihre Frau kommt niemals mit zu den Rennen, und sie scheint sich auch nicht sonderlich für die Formel 1 zu interessieren. Stört Sie das?
Nein, im Gegenteil. Bei uns zu Hause wird nie über die Rennerei gesprochen, das empfinde ich als sehr angenehm und erholsam. Meine Frau fragt schon mal, hast Du gewonnen? Und wenn ich wieder mal mit nein antworte, stellt sie keine weiteren Fragen. Sie kümmert sich nicht darum, ob ich Punkte gemacht habe, sie schaut sich nicht einmal einen Grand Prix im Fernsehen an. Ein paar Runden vielleicht - ja, aber dann findet sie das Ganze langweilig und geht Dingen nach, die für sie wichtiger sind.

Würden Sie sagen, daß Sie in Ihrer Formel 1-Karriere irgendeinen großen Fehler gemacht haben?
Ich habe mir schon oft Gedanken in diese Richtung gemacht, und ich war anschließend eigentlich ganz zufrieden. Nein - ich glaube nicht, daß ich Entscheidendes falsch gemacht habe. Okay - in Zandvoort im letzten Jahr versuchte ich mit einem Gewaltakt, Piquet auszubremsen und habe ihn und anschließend mich selbst von der Strecke befördert - es gab keine WM-Punkte für beide. Ich habe Fehler gemacht, über die ich mich eine halbe Stunde später aufregte, aber das waren alles kleine, vergleichsweise unbedeutende Fehler, die nicht im Gedächtnis haften bleiben. Wäre die Aktion in Zandvoort, als ich durch meine Schuld mit Piquet in der Tarzan-Kurve zusammenkrachte, gut gegangen, hätten alle gesagt - der Prost ist wahrhaftig der Allergrößte. Es ging nicht gut, aber ich mußte es versuchen, das ist mein Job und mein Berufsrisiko.

Wagen Sie eine Prognose für 1984 - wer wird Formel 1-Weltmeister?
Niki Lauda oder ich.



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