SPORT, 16.05.1990

Alain Prost: Ein Lenkrad in der Hand zu halten
ist für mich immer noch das Schönste auf der Welt!


Interview mit Formel-1-Weltmeister Alain Prost, der von Rennmüdigkeit nichts wissen will - aber mit Senna nicht mehr in einem Team fahren kann.

(Mit Alain Prost sprach Heinz Prüller)

Er hatte sich mit den Pneus verspekuliert und nach dem Boxenstopp das Duell mit Nannini um den vierten Platz verloren - Weltmeister Alain Prost verliess das "Autodromo Ferrari" von Imola nicht gerade als der strahlende, stürmisch gefeierte Held. Aber er bleibt im Titelkampf der WM-Geheimfavorit! Die Enttäuschende dritte Ferrari-Startreihe in Imola hatte Prost mit "Reifenproblemen" entschuldigt, was Ayrton Senna wütend machte. "Typisch für ihn. Das sagt er nur, um Berger und mich zu diskriminieren."

Was er wirklich tut, was er denkt, was er plant, - über das alles sprach Alain Prost in einem SPORT-Exklusivinterview beim Abendessen in Imola.

Alain, es ist ja kein Geheimnis: Ferrari verhandelt mit Senna. Wie reagierst du?
Zuerst: Mein Ferrari-Vertrag ist sehr kompliziert. Ich habe eine Option bis Ende August - bis dahin muß ich sagen, ob ich bei Ferrari weiterfahren will. Ferrari aber hat eine Option bis 15. September. Wenn ich meinen Kontrakt richtig interpretiere, dann darf ich, wenn ich nicht mehr Ferrari fahren will, gar nicht umsteigen! Ich will aber grundsätzlich gern bleiben. Denn so gut der Ferrari jetzt schon ist - den besten Ferrari gibt es erst 1991!

Mit dir oder Mansell oder Senna am Steuer?
Ich habe jetzt zu meinem Rennleiter Cesare Fiorio klipp und klar gesagt: Wenn ihr Senna wollt, wenn eure 430 Mitarbeiter alle Senna wollen, weil er jünger ist, und wenn ihr ihm darum einen Fünfjahresvertrag geben wollt - bitte, kein Problem mit mir. Aber sagt es mir nur möglichst bald!

Frist hast du keine gesetzt?
Nein, aber das alles ist ja verrückt. Früher hat man im Herbst fürs nächste Jahr verhandelt, dann ab Sommer - und jetzt redet man, total verrückt, schon nach zwei Saisonrennen von 1991. /p>

Wenn du bleibst, wer fährt dann den zweiten Ferrari?
Mit Senna kann ich nicht in einem Team fahren - unmöglich. Wie soll ich mit einem, der mir nicht einmal die Hand gibt? Mansells Problem ist: Er hatte einen Nummer-1-Vertrag, der geändert wurde als ich kam. Jetzt sagt er: Er will für 1991 zwei Autos, also immer das Ersatzauto - aber in einem Topteam die Garantie zu verlangen, daß du die Nummer 1 bist, ist einfach unmöglich. Das ist das ganze Problem.

So wie es aussieht, wird bei den Siegerehrungen 1990 - auf den Podesten - nicht allzuviel geredet...
Mir ist schon in Rio aufgefallen, daß Berger und Senna auf dem Podium oder nachher im TV-Studio auch nicht viel miteinander geredet haben. Jeder schaute nur stur vor sich hin.

Du hast nach deinem Ferrari-Sieg in Sao Paulo vor Freude geweint - Man sah ja die heimlichen Tränen.
Stimmt, ich hatte soviel überschäumende Freude - vergleichbar nur mit meinem ersten McLaren-Porsche-Sieg 1984 in Rio. Also schon wieder Brasilien - aber das war Zufall. Ferrari schenkt mir sogar mein Siegerauto - das haben wir vertraglich ausgemacht. Von Renault sollte ich früher auch eines kriegen, ich habe es aber nie erhalten. Bei McLaren hatte ich gehofft, ich bekomme aus Freundschaft ein Auto - leider ist nichts daraus geworden. Aber John Barnard hat einen - und John kann ich wenigstens besuchen.

Wenn du schon von Ferrari und McLaren sprichst: Kannst du vergleichen?
Das Ferrari-Chassis ist besser als jenes von McLaren, viel weicher zu fahren, auch besser als der Vorjahres-McLaren, der gar nicht so gut war. Die besten McLaren waren 1984 und 1988.

Pech, dass in diesen Jahren jeweils deine Stallkollegen (Niki Lauda bzw. Senna) Weltmeister geworden sind...?
Mit Statistik und mit Rekorden ist das immer so eine Sache. Noch als ich 26jährig war, glaubte ich, daß die 27 Grand-Prix-Siege von Jackie Stewart, die fünf WM-Titel von Juan-Manuel Fangio für alle Zeiten unerreichbar sind. Jetzt sage ich das nicht mehr. Jetzt weiß ich, daß alles möglich ist.

Sogar die Traumgrenze von 50 GP-Siegen?
Das kann alles passieren, aber ich glaube nicht, daß ich noch vier oder fünf Jahre Ferrari fahren werde. Nicht wegen Ferrari, sondern wegen meines Alters.

Die Ferrari-Ingenieure sind hellauf begeistert von deinem technischen Wissen, wie du den Honda-Motor gedanklich zerlegen kannst. Wie kann dir deine Erfahrung wirklich helfen, Ferrari weiterzubringen, sei es mit Motor-Tricks oder mit Abstimmungsideen - Welche Geheimnisse hast du von McLaren mitgebracht?
Darf ich dir zuerst sagen: Noch nie, wirklich noch nie, hat irgend jemand einen Honda-Motor offen gesehen! Wir wissen alle nicht, wie der Motor innen ausschaut - nicht einmal die McLaren-Ingenieure! Es war immer das gleiche: Die Japaner sagen nichts, ändern immer irgend etwas von Rennen zu Rennen, verraten aber nicht genau, was sie ändern - also können wir das gar nicht wissen. Als Fahrer kann ich immer nur meine Eindrücke weitergeben. Zum Beispiel jetzt bei Ferrari: Wie wir den Motor "fahrbarer" machten. Die Abstimmung des Chassis kannst du nicht vergleichen, sollst du auch nicht vergleichen. Es sind völlig verschiedene Autos.

Senna redet von 715 PS, die der Ferrari angeblich bereits hat.
Ich weiß keine Zahlen, aber laßt Senna nur reden. Momentan ist das Wichtigste die verbesserte Fahrbarkeit. Früher hat der Ferrari, wenn ich vom Gas ging, einfach weitergeschoben - so als wäre das Pedal steckengeblieben. Das tut er jetzt nicht mehr.

In Imola haben alle vergeblich auf euren neuen Supermotor gewartet...
Der kommt erst in Le Castellet - und deshalb kommt es ab dem französischen GP zum ganz großen Umschwung in der Weltmeisterschaft! Dann überholen wir McLaren. Aber den allerbesten Ferrari gibt es, wie gesagt, erst 1991.

Von wem gebaut?
Die Hauptsache ist die Zusammenarbeit zwischen den Konstrukteuren Nichols und Scalabroni. Wer offiziell die Nummer 1 und wer letztlich verantwortlich für das Auto ist, das ist in der Formel 1 egal. Wichtig ist nur, daß die Zusammenarbeit funktioniert.

Steve Nichols sagt, er hätte sich erst am 10. Dezember entschieden, mit dir zu Ferrari zu gehen.
Anfangs sah es zeitweise so aus, als würde John Barnard bei Ferrari bleiben. Ich entschied mich letztlich im August, Steve beschloß es drei Wochen später. Er sagte mir in Jerez: Ich gehe mit dir.

Kennst du das Ferrari-Auto schon absolut, zu 100 Prozent?
Noch immer nicht ganz, mir fehlen die zwei Testwochen im April, die verregnet waren.

Fährst du eigentlich mit dem Computerprogramm für das Getriebe, das man vor dem Start eingeben muss - womit jeder Gangwechsel exakt festgelegt ist?
Nein, ich schalte immer noch lieber selber mittels der "Fliege" am Lenkrad die Gänge durch. Obwohl es nur fünf bis zehn Minuten brauchen würde, das Computerprogramm zu ändern.

Gerhard Bergers Ferrari-Trick war oft das Linksbremsen. Deiner auch?
Ich kann es nicht, und ich kann es mir auch von anderen kaum vorstellen. Ich weiß nur, daß Berger in der ganz schnellen Zielkurve von Suzuka immer mit dem linken Fuß gebremst hat. Sonst ist es unmöglich - und wer das behauptet, der lügt. Ich habe es einmal in meinem Strassenauto probiert - und bin dem Vordermann aufgefahren! Ausserdem müßtest du ja den Fuß quer halten, Zwischengas geben, und als Ergebnis trittst du das Gas- und das Bremspedal gleichzeitig durch. So kannst du nicht Formel 1 fahren.

Dein momentaner Einsatz fasziniert alle: Du bist beim Testen der Erste auf der Strecke, am Abend der Letzte noch in den Boxen und fährst so aggressiv, wie am Beginn deiner Karriere.
Ich halte es sowieso für einen Blödsinn, wenn die Leute sagen: Der soll auf der Höhe seines Ruhmes aufhören. Ich verrate nicht meine Pläne, wann ich aufhöre, ich will meine Zukunft gar nicht programmieren. Vielleicht fahre ich einmal Gruppe C, vielleicht auch Tourenwagen, weil wir oft, zum Spaß, mit viel Herz, aber ohne jedes Startgeld, private Sandbahnrennen fahren... Hauptsache, man hat Spaß daran. Ein Lenkrad in der Hand zu halten ist für mich immer noch das Schönste auf der Welt, egal welches Auto. Vielleicht gehe ich einmal in die USA. Emerson Fittipaldi, den ich zwei-, dreimal pro Jahr treffe, sagt mir immer: Dein Fahrstil ist so weich, wie geschaffen für die Ovalrennen - du mußt unbedingt CART-Rennen fahren! Aber dort hat mich anfangs die Geschwindigkeit erschreckt - sogar gemessen an der Formel 1.

Und jetzt bekommt sogar Minardi schon einen Ferrari-Motor.
Bitte, erspare mir dazu jeden Kommentar.

Tut es dir jetzt leid, wenn du Patrese mit dem Renault-Williams gewinnen siehst - und an deine vorjährigen Pläne vom eigenen Formel-1-Auto mit Renault-Motor denkst?
Mir war schon lange klar: Der Rennsport der Zukunft funktioniert nicht mehr mit großen Fabriken. Darauf war meine Idee vom Privatteam gebaut: Mit John Barnard, mit der GTO-Fabrik, auf die wir wirklich große Chancen hatten, und mit dem Renault-Motor. Es wäre der Barnard-Renault oder der Prost-Renault geworden. Ich war nicht so heiß, meinen Namen darauf zu haben - aber John wollte es so. Wir waren knapper daran, das Projekt zu realisieren, als alle glaubten. Nur zehn Prozent vom Gesamtbudget haben mir gefehlt! Und wenn ich mein Auto selber gefahren hätte, was Barnard wollte, wären die ein, zwei Jahre Pause für mich aber zu lang gewesen. Ich bin ja schon 35.



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