SPORT, 11.09.1989

Prost: "Nur Ferrari kann mir noch etwas geben"


"Auf diese Art will ich nicht die Weltmeisterschaft verlieren. Leicht möglich, dass ich meinen McLaren-Vertrag breche und in Adelaide gar nicht mehr fahre: Eine solche Behandlung hab' ich nicht verdient." Harte Worte des WM-Leaders Alain Prost gestern Sonntag Mittag in einem SPORT-Interview mit Heinz Prüller in Monza - wenige Stunden vor dem Start. Der zukünftige Ferrari-Star fühlt sich von McLaren schäbig behandelt.

Alain, bitte erklär uns deine Gründe, zu Ferrari zu gehen - und wie du dich in Monza fühlst. Schon als halber Italiener?
Die Atmosphäre bei McLaren ist so schlecht geworden, dass ich einfach weggehen musste. Ferrari war die beste Wahl, weil es manchmal ein bisschen schwierig ist mit der Motivation. Aber ich glaube, der Enthusiasmus und die Tatsache, dass es Ferrari ist, sind für mich eine enorme Herausforderung. Und ich habe ja immer gesagt: Sobald ich eine neue Motivation finde, bin ich wieder viel glücklicher.

Wann hast du ernsthaft begonnen, über Ferrari nachzudenken? In Le Castellet?
Ja, aber damals hab' ich noch nicht gewusst, dass ich auch wirklich zu Ferrari gehe. Ich hatte Kontakte, aber zu dieser Zeit stand ich unter sehr starkem Druck von Williams und von Renault. Ich glaube jedoch, Williams ist ein bisschen zu nahe an McLaren, als dass ich etwas ganz Verschiedenes hätte fühlen können. Und ich brauchte nach McLaren etwas komplett anderes - das ist sicher.

Darum also hast du Frank Williams am Montag endgültig abgesagt?
Ja, und er verstand es. Ich hatte Angst, dass ich nach ein paar Monaten mit Williams meine Motivation wieder verliere.

Ferrari hat ja fast zehn Jahre lang auf dich gewartet?
Ja, aber manchmal war es nicht einfach, hinzugehen, und manchmal war wieder das Auto nicht sehr gut - darum hab' ich immer nein gesagt. Aber jetzt ist der richtige Moment. Das Auto ist dabei, sehr gut zu werden - und auch ich, nach 10 Jahren Formel l , brauche etwas total Neues, ganz anderes. Ich sag' dir nochmals: Ich hätte kein einziges Jahr mehr bei McLaren oder in einem anderen Team ausgehalten. Nur Ferrari kann mir jetzt noch etwas geben.

Du sagst, du bedauerst sehr, dass du Enzo Ferrari nie persönlich kennengelernt hast.
Ich habe ihn leider nie getroffen, wir haben nur zwei-, dreimal miteinander telefoniert.

Bist du in deinem Herzen jetzt schon Ferrari-Fahrer?
Ja... ein bisschen, sicher.

Und nur noch unglücklich bei McLaren?
Ich war am Samstag von Monza total unglücklich. Aber was da alles passiert, ist eben Teil des Spiels. Die Formel 1 ist pures Business geworden. Sie ist nur noch Sport, wenn du im Cockpit sitzt und das Auto fährst. Das ist für mich schwer, nach sechs Jahren, zu akzeptieren - aber ich muss es, so schwer es für mich auch ist, dass ich so behandelt werde, dass sich das Team so benimmt.

Du hattest schlechtes Chassis-Handling, zwei Sekunden Rückstand auf Senna im Training. Was tun sie dir noch an?
Ich hatte ein schlechtes Handling, mein Motor funktionierte nicht sehr gut, wie üblich im Qualifikationstraining - das macht es für mich unmöglich, zu konkurrieren! Und das ist komisch, weil ich das Auto bei den normalen Testfahrten immer sehr gut finde. Ich bin dort auch immer schnell. Aber an den Rennwochenenden ist es plötzlich immer ganz anders.

Du glaubst, dein Team schadet dir absichtlich? Eine offene Anklage?
Diese Frage beantworte ich dir nicht. Das Problem ist für mich nicht, ob es absichtlich oder unabsichtlich passiert, was mir zustösst.

Überlegst du dir, unter diesen Umständen auf weitere Rennen zu verzichten, eventuell die Saison gar nicht zu Ende zu fahren?
Ich meine alles ernst. Aber was sonst soll ich tun? Die WM auf diese Art verlieren? Wenn ich nicht um den WM-Titel fighten kann, dann gibt es keinen anderen Ausweg, keine andere Lösung. Ich bin doch nicht blöd. Ich hab' einen Vertrag unterschrieben, der mir gleichwertige Behandlung mit Senna garantiert. Ich sehe es in der Boxengasse immer wieder: Wenn ein Team mit seinem Fahrer unzufrieden ist, bricht das Team den Vertrag und schmeisst den Fahrer raus, okay? Also warum kann nicht eines Tages auch ein Fahrer den Vertrag brechen - weil er nicht die vertraglich vereinbarte Behandlung bekommt?

Eigentlich hast du eine solche Behandlung von McLaren nicht verdient?
Das ist genau das, was ich meine. Ich hab' für McLaren sehr viel getan, darum bin ich jetzt um so mehr enttäuscht. Würde mir McLaren sagen: Okay, du gehst weg von uns, wir wollen, dass Ayrton Weltmeister wird - das könnte ich noch verstehen. Aber nicht so, wie es getan wird!

Du kannst aber immer noch Weltmeister werden!
Sicherlich, aber es wird sehr, sehr schwierig - unter diesen Umständen.

Man hat den Eindruck, McLaren bestraft dich für deinen Weggang genauso, wie es Ferrari mit Gerhard Berger tut?
Ja, schon, aber das Problem - nicht als Entschuldigung - ist: Berger kann heuer wenigstens nicht mehr Weltmeister werden. Aber ich kann Weltmeister werden. Also ist das etwas anderes.

Das schaut alles nicht danach aus, als würdest du 1991, nach einem Jahr mit Ferrari, zu McLaren zurückkehren?
Das weiss man nie. Aber momentan ist es ganz sicher nicht mein Plan.



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