SPORT-BILD, 04.09.1991

Alain Prost: Wir erleben den besten Senna, den es je gab!


VERSÖHNLICHE WORTE DES DREIMALIGEN WELTMEISTERS IN EINEM EXKLUSIV-INTERVIEW MIT SPORT-BILD. DER STREIT ZWISCHEN DEN BEIDEN ERZRIVALEN SCHEINT ENDGÜLTIG BEGRABEN.

HERR PROST, SIE SIND ALS EINER DER GROSSEN FAVORITEN IN DIESE SAISON GESTARTET. JETZT LIEGEN SIE NUR AN SECHSTER STELLE DER WM-WERTUNG...
So schlecht wie zur Zeit lag ich noch nie. Normalerweise habe ich zu diesem Zeitpunkt rund 60 WM-Punkte, diesmal sind's nur 21. Der Grund dafür ist das Auto. Der Ferrari ist nicht leicht zu fahren und schwer auf die jeweiligen Strecken Verhältnisse abzustimmen. Ausserdem sind die Motoren der Williams-Renault und McLaren-Honda besonders im Training stärker. Wenn ich dann mal gut im Rennen liege, falle ich aus - wie zuletzt in Spa. Wie also sollte ich gewinnen?

ABER IM WINTER WAR DER FERRARI DOCH ANGEBLICH NOCH SO GUT?
Nein. Wir lagen zwar bei den Tests immer eine Sekunde unter den Rundenzeiten der Saison 1990. Aber die Formel 1 wird pro Jahr drei bis vier Sekunden schneller. Folglich lagen wir damals schon ziemlich weit im Hintertreffen, und obendrein wurde der neue Motor auch noch viel zu spät fertig.

HABEN SIE DAS DENN NICHT KRITISIERT?
Natürlich, weil es während der Saison unmöglich ist, grosse technische Rückstände auszubügeln. Aber bei Ferrari wollte man nichts davon wissen...

STATT DESSEN SAGEN IHRE BOSSE NUR, SIE SOLLTEN GEFÄLLIGST MEHR GAS GEBEN ODER SICH NICHT SO EINFACH ÜBERHOLEN LASSEN...
Das verstehe ich überhaupt nicht. Und ich kann das auch nicht akzeptieren, weil wir ja besser sein könnten. So werde ich um die Früchte meiner Arbeit gebracht. Wenn ich Kritik übe, will ich damit nur uns alle, das ganze Team, nach vorn bringen. Aber es ist offenbar verboten, die Wahrheit zu sagen.

WIE VERKRAFTEN SIE DIESE SITUATION? OHNE SIEG, ABER DAFÜR MIT JEDER MENGE INTRIGEN IM FERRARI UMFELD...
Eine schwierige Situation. Ich habe gelernt abzuschalten, an was anderes zu denken und brauche niemandem mehr etwas zu beweisen. Andererseits bin ich noch siegeshungrig und habe Spass am Rennfahren. Dass die Misere nicht an mir liegt, wissen alle im Team, auch die Fans. Es ist traurig, denn das Ferrari-Potential ist enorm. Aber was nützt das? Analytiker wie McLaren-Teamchef Ron Dennis oder Niki Lauda müssten her. Wenn nicht bald was passiert, fährt Ferrari auch 1992 hinterher.

MIT IHNEN?
Ja, ich erfülle meinen Vertrag bis Ende 1992.

UND DANACH? MIT 36 JAHREN MUSS MAN AUCH AN DAS ENDE DENKEN. SIND SIE DARAUF VORBEREITET?
Ja, sicher. Mir wird die Formel 1 zwar fehlen, aber der ungeheure Druck und Ärger - durch Sponsoren, Presse, den Trubel drum herum - bleiben mir dann erspart. Darauf freue ich mich. Auch wenn ich keine Fluglinie wie Lauda aufgebaut habe, wird es für mich genug Aufgaben geben. In ein tiefes Loch falle ich jedenfalls nicht und werde mich auch nicht - wie viele Ex-Kollegen - als Kommentator in den Medien hergeben. Auch ein Comeback käme für mich nie in Frage. Man muss konsequent Schluß machen können.

BIS ES SOWEIT IST, MÜSSEN SIE SICH WEITERHIN AUF DER PISTE HARTER ATTACKEN IHRES ERZRIVALEN AYRTON SENNA ERWEHREN. IST DER NEUE FRIEDE MIT DEM WELTMEISTER EIGENTLICH ECHT?
Das weiss man nie. Aber im Gegensatz zu 1990, als wir uns in Monza nur auf Druck von Journalisten versöhnt hatten, ist der Friede von Budapest 1991 ehrlich gemeint.

OBWOHL DIESMAL DER WELTVERBAND FISA DRUCK AUSGEÜBT HABEN SOLL...
Die Situation war von außen unerträglich hochgeschaukelt worden und auf der Strecke nicht mehr kontrollierbar. Sogar die Sponsoren rieben sich die Hände, weil unsere ständigen Duelle plötzlich auch Leute in den Bann zogen, die sich vorher nie für die Formel 1 interessierten. Ich bin froh, dass wir nun unser Verhältnis normalisiert haben.

JETZT SAGEN SIE BLOSS NOCH, SIE SIND FREUNDE GEWORDEN...
Neben Stunk gab es immer Sympathie und Respekt. Der Friede kommt von Herzen.

WIE BEURTEILEN SIE SENNA 1991 FAHRERISCH?
Er ist auf seinem absoluten Höhepunkt, macht keine Fehler mehr wie früher, ist vernünftiger geworden. Der beste Senna, den es je gab. Er ist mein Favorit für das Rennen in Monza. Aber es wäre falsch, mich nicht auf der Rechnung zu haben.

INTERVIEW: PETER HESSELER




Back to interview-page!

To Prost-infopage!

To prostfan.com!

prostfan.com © by Oskar Schuler, Switzerland