RALLYE RACING, 01.05.1997

"Ich will kein Freundschafts-Team, ich werde hart sein"


Wer Freundschaft und Geschäft nicht trenne, bringe sich selbst um - der frischgebackene Teamchef Alain Prost dementiert, ein allfranzösisches Team aufzubauen.

Wie fühlen Sie sich so als frischgebackener Formel 1-Teamchef?
Sehr beschäftigt. Das steht im Vordergrund, aber ich habe es nicht anders erwartet. Meine Aufgabe ist nicht einfach, ich habe das Team ja erst einen Monat vor Beginn der Saison übernommen. Hätte ich nur ein Vierteljahr vorher gekauft, alles wäre viel einfacher.

Realisieren Sie einen alten Traum, oder ist der Plan erst in der jüngeren Vergangenheit gereift?
Ich denke schon sehr lange über ein eigenes Team nach. Das begann schon 1989. Zum Saisonende wollte ich bei McLaren aussteigen. Zu Ferrari gab es noch keine Kontakte. Ich wußte nicht, ob ich weiterhin Rennfahrer bleiben sollte oder vielleicht etwas völlig Neues anfangen könnte.

Ist es besser, unterhalb der Formel 1 einzusteigen, um die maßgeschneiderte Struktur eines Rennstalls behutsam aufzubauen?
Nein, nein, nein. Es ist viel schwieriger, in die Formel 1 aufzusteigen, als gleich oben zu beginnen.

Haben Sie beim Kauf eigenes Geld investiert?
Ja, der Kauf wurde nicht fremdfinanziert.

Das bedeutet, Sie haben sich für Ihr gutes Geld viel Arbeit eingekauft?
Ja, das stimmt (lacht). Irgendwie bin ich vielleicht dumm. Es war sehr wichtig, selbst zu kaufen. Das ist ein Teil der Herausforderung, und man darf die Bedeutung für die Partner nicht unterschätzen.

Sehen Sie in Jackie Stewart Ihren Hauptrivalen? Der stieg auch in Melbourne mit einem eigenen Team ein und war früher F1-Champion, wenn auch nur dreimal...
Nein, er ist nicht mein wichtigster Rivale. So funktioniert das in der Formel 1 nicht. Jeder ist ein Gegner. Im GP-Sport ist Bewegung. Ich beobachte die Spitze und auch das Ende des Feldes. Klar zur Zeit ist Williams sehr stark, aber da gibt es einige, die könnten in der Zukunft stark sein. Es wäre falsch, sich nur auf einen Konkurrenten zu konzentrieren.

Wie jeder weiß, werden Sie der "Professor" genannt. Läßt dieser Spitzname auch Rückschlüsse auf Ihren Führungsstil zu?
Als Rennfahrer war ich sehr diszipliniert. Ich werde es weiterhin sein und bin davon überzeugt, daß dies sehr wichtig ist. Ich verlange auch Disziplin, aber ich erwarte einen langsamen Prozeß - das geht nicht von heute auf morgen. Ich neige dazu, mich um alle Kleinigkeiten zu kümmern. Das könnte manchmal ein Problem sein. Ich werde hart sein, das ist der einzige Weg, der funktioniert. Mal sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Das Management ist ein schwieriges Geschäft.

Aber Sie kennen die Formel 1 wie kaum ein anderer...
Ich werde von vielen immer noch als der Rennfahrer Prost angesehen. Ich betrachte mich nicht mehr als Rennfahrer. Aber ich kann den Vorteil ausspielen, Rennfahrer gewesen zu sein. Ich kenne die Autos, ich kenne die Technik. Kein anderer Pilot verstand soviel von der Technik und interessierte sich derart intensiv dafür wie ich. Das möchte ich jetzt nutzen. In diesem Punkt habe ich gegenüber den anderen Managern einen Vorteil.

Haben Sie bereits einen Fahrplan für die Zukunft?
Ich weiß genau, was getan werden muß, damit wir 1998 konkurrenzfähig sind. Vielleicht ist das etwas früh, aber weshalb sollen wir es nicht versuchen? Wenn es nicht klappen sollte, dann sind wir eben 1999 vorn mit dabei.

Ist Konstrukteur John Barnard in Ihre Planung eingebunden?
Das steht absolut noch nicht fest. Möglicherweise wird er eine Rolle spielen, aber es wurde nichts entschieden. Wir führen Gespräche miteinander.

In Zusammenhang mit Ihrem Team wird immer wieder vom Ziel gesprochen, ein rein französisches Team aufzubauen. 1998 werden Sie Peugeot Motoren einsetzen, denken Sie auch an französische Reifen - von Michelin?
Nein. Ich möchte auch gar kein 100prozentig französisches Team. Klar, mindestens ein Fahrer wird immer aus Frankreich kommen, möglicherweise auch der zweite.

Jean Alesi zählt zu Ihren engen Freunden. Wollen Sie ihn unter Vertrag nehmen?
Ich will mich jetzt noch gar nicht auf die Fahrerwahl für 1998 festlegen. Das ist mir viel zu früh. Aber da gibt es noch etwas. In diesem Umfeld muß man Freundschaft und Business trennen. Wer das nicht macht, der bringt sich auf der Stelle selbst um. Ich weiß noch nicht, wie ich mich entscheiden werde. Ich habe viele Freunde unter den Fahrern, Ingenieuren, Mechanikern und Managern, aber ich werde kein "Freundschafts-Team" aufbauen! So etwas funktioniert nicht.

Ist Olivier Panis ein Pilot für die Zukunft?
Er ist stark, und er verbessert sich kontinuierlich. In Sao Paulo wurde er trotz eines Defekts am morgen Fünfter im Qualifying! So etwas schätze ich: Probleme haben und dennoch gut abschneiden. Wer das schafft, ist wirklich stark.

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Das Gespräch führte
Achim Schlang



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