FORMEL1, 01.05.1996

FORMEL1 TRIFFT ALAIN PROST

"Ich werde nie wieder Rennen fahren."


ER IST 4-FACHER FORMEL1-WELTMEISTER UND "PROFESSOR" AUF ALLEN GEBIETEN. WIR WOLLTEN VON DEM FRANZOSEN WISSEN, WIE IHM SEINE "RÜCKKEHR" IN DIE FORMEL1 GEFÄLLT UND WELCHE AUFGABEN ER BEI MCLAREN VERFOLGT.

WIE IST DIE STIMMUNG ZWISCHEN IHNEN UND DEM TEAM?
Ich fühle mich wohl bei McLaren. Ich bin irgendwie gelassener als früher, bin ruhiger, ansprechbarer. Die Arbeit im Team ist harmonisch.

HABEN SIE NACH ALL DEN JAHREN IMMER NOCH NICHT GENUG VOM FORMEL1-MILLIEU?
Nein, das konnte man doch wohl in Portugal vor Saisonstart sehen oder? Während der FOCA-Tests bin ich zu Benetton in die Box gegangen, um meinen Freund Jean Alesi zu begrüssen und zu fragen, wie es ihm so geht. Pat Symonds, dem Ingenieur, dauerte unser Gespräch wohl zu lange, er sah in mir offenbar einen potentiellen Spion und ermahnte mich irgendwann, das Benetton-Territorium zu verlassen. Irgendwie habe ich mich in diesem Moment geschmeichelt gefühlt... Vom Formel1-Zirkus habe ich noch lange nicht genug.

DANN WAR IHNEN DIESE ART DAUERURLAUB UND DER RÜCKZUG AUS DER FORMEL1 DOCH ZU LANGWEILIG?
Ja, ich habe der Formel1-Welt nur kurze Zeit den Rücken gekehrt, spielte Golf, machte Ferien, war viel mit meiner Familie zusammen. Doch da ich ein sehr unruhiger Typ bin, konnte mich das auf die Dauer nicht zufriedenstellen. Als 'Botschafter' für Renault und als Co-Kommentator für den französischen Fernsehsender TF1 behielt ich den Kontakt zur Formel1. Das waren zwar keine wirklich spannenden Aufgaben, aber immerhin eine Art Nervenkitzel.

BEREITS VOR FÜNF JAHREN KAMEN FERRARI-INGENIEURE AUF DIE IDEE, SIE ALS BERATER FÜR FAHRER EINZUSETZEN. WAR DAS DER STEIN, DER ALLES WIEDER INS ROLLEN BRACHTE?
Ich fühlte mich bei der Scuderia in dieser Positon nicht so gut aufgehoben, wenn man das so sagen kann. Die Ligier-Idee spielte im Nachhinein auch eine Rolle, doch dann kam McLaren auf mich zu, das Team, mit dem ich meine größten Erfolge feierte. Im letzten Sommer kam diese Idee auf, sie war allerdings nicht von mir. Das entwickelte sich in Gesprächen zwischen Ron Dennis und seinen Leuten. Ron hatte mir seinem Auto Probleme, der McLaren MP4/10 war eine regelrechte Katastrophe.

WÜRDEN SIE SICH HEUTE IM FAHRERFELD NOCH CHANCEN AUSRECHNEN?
Auf Grund meiner Erfahrung könnte ich mich bestimmt ohne viel Risiko mit einigen anderen messen, - mit Ausnahme von Michael Schumacher.

AM 29. JULI LETZTEN JAHRES VERKÜNDETE RENAULT, DASS SIE AUF DER SUCHE "NACH NEUEN HORIZONTEN" WÄREN. ES FANDEN DANN IM SEPTEMBER TESTFAHRTEN IM MCLAREN MIT IHNEN STATT, DIE FRANZÖSISCHE PRESSE HATTE IHRE RÜCKKEHR IN DIE FORMEL1 PROGNOSTIZIERT. HATTEN SIE ZU DER ZEIT MIT DEM GEDANKEN GESPIELT, WIEDER IN DER FORMEL1 ZU FAHREN?
Meine fahrerischen Kapazitäten habe ich bis heute nicht verloren. In meiner ganzen Laufbahn bin ich dennoch nie 100% an der Grenze gefahren. Nein, ich werde nie wieder fahren. Was soll ich mir und den anderen denn noch beweisen. Ein Comeback könnte für mich ein Schritt zurück bedeuten.

WIE SCHNELL FANDEN SIE DEN EINSTIEG IN DIE ENTWICKLUNGSARBEIT BEI MCLAREN?
Steve Nichols, der McLaren-Ingenieur fand es bewundernswert, daß wir fast an unsere frühere Arbeitsweise anknüpfen konnten. Ich erinnere mich heute noch sehr bewußt an die Chassis-Abstimmungen und Flügeleinstellungen aus meiner Rennzeit. Heute analysiere ich immer noch bis ins kleinste Detail und überlasse nichts dem Zufall.

GABEN IHNEN DIE BISHERIGEN TESTFAHRTEN VIEL AUFSCHLUSS ÜBER DEN MP4/11?
Den neuen MP4/11 fuhr ich zuerst auf dem Kurs in Silverstone und später in Estoril. Ein halber Testtag reichte mir schon, um zu ersten Ergebnissen zu gelangen und festzustellen, ob der Wagen Potential hat oder aber etwas an der Basis nicht stimmt.

WAS GEBEN SIE FAHRERN WIE DAVID COULTHARD UND MIKA HÄKKINEN BEZÜGLICH DES MP4/11 MIT AUF DEN WEG?
David versuchte am Anfang, mit neuen Reifen und wenig Benzin im Tank schnelle Runden zu fahren. Ich dagegen fuhr weiterhin auf gebrauchten Reifen und stets mit 50 Liter Benzin an Bord. Um Rekordrunden zu fahren, ist es wichtig, den neuen Wagen erst richtig kennenzulernen und zu begreifen, wie und warum er auf Veränderungen reagiert. Dennoch kann natürlich meine Erfahrung McLaren nicht davon abhalten, in die andere Richtung zu arbeiten. Für schnelle Runden werde ich nicht bezahlt. Das ist der Job von Mika und David, die beiden sollen die guten Zeiten herausfahren.

IST ES EIN GEHEIMNIS, WIE IHRE BEZAHLUNG FÜR DIESEN JOB BEI MCLAREN AUSSIEHT?
Im Jahr bekomme ich ungefähr 5 Millionen DM. Mein Vertrag läuft zunächst für ein Jahr.

LEISTEN SIE GERNE ENTWICKLUNGSARBEIT FÜR EINEN WAGEN, IN DEM SIE NICHT SELBST DIE GRAND PRIX BESTREITEN?
Im Bereich der Entwicklungsarbeit kann ich ziemlich ungezwungen arbeiten. Es ist ein gutes Gefühl, wenn andere von meiner Arbeitsweise lernen können. Zusätzlich versuche ich etwas Ruhe auf die Fahrer und das Team auszustrahlen. Ich denke, daß die Fahrer meiner Generation ganz anders auf ihre Rolle vorbereitet wurden. Eines ist wichtig: Dadurch, daß ich kein Konkurrent von David und Mika bin, brauche ich vor den beiden nichts geheimzuhalten. Die Arbeit ist somit um einiges einfacher.

WAS VERMITTELN SIE VON IHRER PERSÖNLICHEN PHILOSOPHIE AN DIE FAHRER WEITER?
In der Formel1 gibt es keine Dinge, die du automatisch erhältst, du bekommst dort nichts geschenkt. Schnelles Fahren allein reicht nicht aus. Du mußt dich stets fragen, warum bin ich so schnell? Bei den Testfahrten hat es keinen Zweck, die Grenze zu suchen. Es ist besser, einen kleinen Spielraum von ungefähr 5 Prozent zu lassen. Diese kleine Reserve gibt dir die Möglichkeit zur Entspannung und somit die Möglichkeit, über das Verhalten deines Autos nachzudenken.

IST ES VON NACHTEIL, WENN SIE DIE EINSTELLUNGSARBEITEN ÜBERNEHMEN WEIL IHR FAHRSTIL DOCH EIN GANZ ANDERER IST?
Ein durchschnittlicher Fahrer läßt sein Auto einstellen. Der bessere Fahrer macht diese Arbeit in Kooperation mit seinem Ingenieur selbst. Das Verhältnis zwischen dem Stand des Gaspedals und der Stabilität des Chassis in den Kurven ist ein Zusammenspiel, das genau klappen muß. Unruhiges Verhalten des Wagens und Vermögensverlust beim Herausbeschleunigen aus Kurven kostet Zeit. Die Feinabstimmung kann man nie oft genug durchführen.



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